23.01.2023

Neurorehabilitation: Wenn wissenschaftliches Vorgehen auf alte Denkweisen und hartnäckige Irrtümer trifft

Die Neurorehabilitation (NR) ist im Wandel und kämpft auch in der Ausbildung gegen Irrtümer. Auf dem Fachkongress CON.THERA, der vom 15. bis 17. Juni 2023 parallel zur REHAB stattdindet, stellt Sabine Lamprecht die zehn größten Irrtümer der Neurorehabilitation vor.

In der Neurorehabilitation zielen Behandlungen darauf ab, Patienten mit neurologischen Erkrankungen im Bereich der körperlichen Aktivitäten für ein möglichst selbständiges Leben zu befähigen. Nach der Diagnose, welche Funktions- und Teilhabeeinschränkungen bei einem Betroffenen überhaupt vorliegen, kann im Anschluss mit den Rehabilitanden besprochen werden, welche individuellen Ziele sie mit der Rehamaßnahme verfolgen. Hier ist das Ziel, das gesamte interdisziplinäre Team von Ergo- und Physiotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, Sozialarbeit, Medizin sowie Orthopädietechnik und Pflege zu koordinieren. Ein auf die Patienten abgestimmtes Training wird bei Bedarf von Reha- und Orthopädietechnik unterstützt und nutzt drei Ansätze:

1. Über viele Wiederholungen einfacher Tätigkeiten lernt das Gehirn neue Strukturen zu entwickeln und geschädigte Strukturen zu ersetzen.

2. Die kontinuierliche Anpassung des Schwierigkeitsgrades an die Belastungsgrenzen des Patienten erzielen den Trainingseffekt.

3. Lebensnahe und abwechslungsreiche Trainingseinheiten, die nah am Alltag des Patienten sind, vermitteln die Sinnhaftigkeit und motivieren.

Die Neurorehabilitation ist im Wandel, stützt sich auf wissenschaftlich erarbeitete Leitlinien und kämpft auch in der Ausbildung gegen alte Zöpfe und Irrtümer.

Zu sehen sind Hans und Sabine Lamprecht.
Hans und Sabine Lamprecht. (Bilder: HSH Lamprecht)

Vom Heiler zum Unterstützer – wissenschaftliche Methodik löst alte Denkweisen ab

Sabine Lamprecht ist Physiotherapeutin mit Master in Neurorehabiliation, Fachbuchautorin und Dozentin. Seit vielen Jahren leitet sie zusammen mit ihrem Mann eine interdisziplinäre Therapiepraxis und erklärt uns den Wandel:

"Das Berufsbild und Selbstverständnis hat sich in den 40 Jahren meiner therapeutischen Tätigkeit enorm gewandelt: In der Neurorehabilitation ist die Wiederherstellung verlorener Fähigkeiten das Ziel, aber nicht wir machen das für unsere Patienten, wir leiten sie an, es selbst zu tun. Wir sind keine Heilenden mehr, sondern unterstützen die Menschen auf ihrem Weg zur Selbstbefähigung."

Ein Mann läuft auf einem Laufband und lächelt dabei. Neben ihm steht eine Therapeutin und schaut ihn an.
Das Gangtraining gehört zur Therapie dazu.

Sabine Lamprecht blickt zurück: "Neurorehabilitation ist überwiegend therapeutisch und zu Beginn meiner Tätigkeit basierte unser Tun auf empirischem Wissen und Annahmen. Durch Beobachtungen in der Behandlung wurden zum Teil Schlüsse gezogen, die sich aus heutiger Sicht und mit wissenschaftlichen Methoden nicht belegen lassen."

Auch als Dozentin stößt sie auf alte Glaubensgrundsätze, die sich trotz der neuen Erkenntnisse in der therapeutischen Ausbildung halten. "Unser Ziel muss sein, evidenzbasiert, wissenschaftlich fundiert und Leitlinien-orientiert zu arbeiten. Diesen roten Faden brauchen wir bei allen Berufsgruppen, mit denen wir interdisziplinär zusammenarbeiten, und in deren Ausbildungs- und Studiengängen."

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Praxis von Hans und Sabine Lamprecht stehen nebeneinander für ein Gruppenfoto.
Das Team der Praxis Lamprecht.

Sabine Lamprecht ist überzeugt: "Stete Aufklärung ist unverzichtbar, Annahmen sind von Fakten deutlich zu trennen. Gerade in Deutschland gibt es einige beharrende Strukturen, die einen überfälligen Wandel in der Ausbildung und der Ausübung des Therapeutenberufs behindern."

Beim CON.THERA-Kongress 2023 in Karlsruhe stellt Sabine Lamprecht die zehn größten Irrtümer der Neurorehabilitation wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen gegenüber.